Blockchain – ist das diese Spekulationsblase?
„Blockchain – das ist doch diese Spekulationsblase, bei der einige reich und andere arm geworden sind!“ So oder so ähnlich bildet sich die aktuelle Meinung über das Thema Blockchain ab. Und ja, da ist sicherlich der Teil dieser Technologie, der in den Medien publiziert wird. Doch schaut man einmal hinter die Kulissen dieser Schlagzeilen, wird schnell klar: Diese Technologie ist viel mehr als ein Spekulationsprodukt.
Technisch besteht eine Blockchain aus drei Komponenten: der asymmetrischen Verschlüsselungstechnik, einem dezentralen Netzwerk und einer kontinuierlich erweiterbaren Datenliste.
Etwas anschaulicher lässt sich die Blockchain anhand der Region Mikronesien erklären. Hier liegt die Insel Yap, deren Bewohner bereits seit 1.500 Jahren mit einem dezentralen System arbeiten und handeln. Dieses heißt Rai und besteht aus bis zu vier Tonnen schweren Kalzit-Steinen. Diese werden auf einer Nachbarinsel mit einem Loch versehen und dann auf die Insel Yap gerudert. Die Dorfältesten bewahren und überliefern dabei das Wissen, wem welcher Stein auf der Insel gehört. Da zu jedem Zeitpunkt jeder Insulaner weiß, welcher Stein in welchem Besitz ist, ist ein Diebstahl nahezu unmöglich.
Dieses Prinzip nutzt die Blockchain auf elektronischer Basis. Dabei lässt sich die erweiterbare Datenliste in Dorfälteste übersetzen, die Insulaner mit dem dezentralen Netzwerk und der Bitcoin mit dem 4-Tonnen-Stein. Die erweiterbare Datenliste wird in Blöcke gebündelt und über die asynchrone Verschlüsselung miteinander verkettet und dezentral gespeichert. Jede Veränderung der Daten ist damit unmöglich, da diese Veränderung im gesamten Netzwerk gleichzeitig passieren müsste. Um kurz zu unserer Insel zurückzukehren, müsste der gesamten Insel im gleichen Moment die exakt gleiche Fehlinformation gegeben werden.
Entfernen wir uns nun vom Geldsystem und betrachten die Blockchain aus einer industriellen und Händlersicht. In unserem globalisierten Markt ist Vertrauen ein kritisches Thema. Große Marken geben Milliarden aus, um Plagiate zu stoppen, oder Nahrungsmittelhersteller, die Herkunftsländer oder Kühlketten nachweisen müssen. Prinzipiell hat jede Branche mit dem Thema Vertrauen in Lieferketten ein kritisches Thema. Ein sehr anschauliches Beispiel sind Edelsteine: Ob Diamanten durch offizielle Wege geschürft und gehandelt wurden oder ob es sich um Blutdiamanten handelt, ist nur schwer nachvollziehbar und doch hat diese Information einen erheblichen Einfluss auf den Wert der Steine. In solchen Szenarien kann die Blockchain als fälschungssicheres Dokument funktionieren, dass jeden Handel und/oder Produktionsschritt nachvollziehbar dokumentiert.
Verschiedene Projekte zeigen das Interesse der Wirtschaft an dieser Technologie:
Die Firma Ritter (Ritter Sport) hat ein Pilotprojekt gestartet, welches die Rückverfolgung der Supply Chain von Kakao über eine Blockchain abbildet. https://ciokurator.com/2018/06/21/schokolade-blockchain/
DB Schenker arbeitet an Blockchain-basierten Lösungen, um ihre internationalen Logistikwege abbildbar zu machen. https://www.btc-echo.de/vechain-und-db-schenker-blockchain-in-der-logistik/
Auch das bereits angesprochene Thema Blutdiamanten findet sich im Zusammenhang mit Blockchain wieder. https://www.capital.de/wirtschaft-politik/was-die-blockchain-fuer-den-diamantenhandel-bedeutet
Es gibt viele weitere Anwendungsbereiche, die man als weiteres Potenzial aufzeigen kann: Sei es das Grundbuch auf der Blockchain, wie es Schweden eingeführt hat, oder gleich der gesamte Lebenslauf oder andere offizielle Dokumente, was in afrikanischen Staaten ein Thema ist. All diese Beispiele zeigen das Potenzial und geben Hinweise, wie diese Technologie unser Leben verändern kann.
Problematisch zu sehen ist die Erwartungshaltung von vielen und der damit einhergehende Hype. Vom Ende des Bankensystems und Sprengen zentral gelenkter Plattformen ist hier die Rede. Ähnlich wurde Anfang der 90er Jahre das Internet betitelt. Heute arbeiten wir mit Google, Amazon oder WhatsApp. Realistisch betrachtet wird die Blockchain einen ähnlichen Weg gehen. Schon jetzt arbeiten viele Organisationen mit privaten Blockchains, die nur einen bestimmten Personen- oder Firmenkreis teilhaben lassen, aus nachvollziehbaren Gründen: In kleinen Systemen lassen sich Regeln schnell etablieren und das System ist insgesamt performanter und sicherer. Anbieter wie Amazon, Google, IBM oder Microsoft bieten bereits Blockchain as a Service als Plattformen an. Hier können Unternehmen ohne viel Know-how eine eigene Blockchain kreieren und betreiben.
Letztlich liegt die Wahrheit wie immer in der Mitte. Die Blockchain wird die Welt nicht in ihren Grundfesten erschüttern, aber das Potenzial, sie nachhaltig zu verändern und zu gestalten, hat sie allemal. In welchem Maße bleibt abzuwarten.
Autor: Hannes Nordlohne (Communications Solutions, SIEVERS-GROUP)